Editorial der Zeitung im Dezember 2022
Rudi Berli, Gemüsebauer und Sekretär Uniterre
«Wir bebauen die Felder, die wir zu verteidigen wissen»
So lautete der Text, der auf der Fahne der Genfer Gemüsebaukommune Plainpalais
prangte. Die Verteidigung des Agrarlandes ist nicht nur für die Schweizer Bauern und Bäuerinnen, sondern für die gesamte Gesellschaft eine absolute Notwendigkeit, da es um die Sicherheit unserer Versorgung geht. Diese Verteidigung des Bodens hört nicht bei der strikten Erhaltung der landwirtschaftlichen Flächen auf, sondern umfasst auch die Verteidigung des Rechts auf eine bäuerliche landwirtschaftliche Nutzung. Ein Agrarland ohne Bauern und Bäuerinnen, die es bewirtschaften, ist unsinnig. Der Schutz des Agrarlandes bedeutet daher auch, die Würde „der Menschen auf dem Land“ zu sichern. Die fortschreitende Zerstörung von Bauernhöfen in der Schweiz, die gemeinhin als „Strukturwandel“ bezeichnet wird, ist ein Angriff auf das bäuerliche Land und muss gestoppt und umgekehrt werden. Heute braucht es mehr Hände, die das Land bearbeiten.
Denn Bodenschutz muss auch die Qualität der Böden beibehalten, die der landwirtschaftlichen Ökosysteme und der kultivierten Biodiversität. Die Agrarpolitik mit ihrem Dogma der Wettbewerbsfähigkeit, fördert jedoch die Zerstörung von Strukturen, die Spezialisierung und die übertriebene Mechanisierung. Anstelle der Bevorzugung bäuerlicher Mischkulturen mit einem hohen Anteil an Arbeitskräften, werden durch den Preisdruck bei spezialisierten Pflanzen- oder Tierproduktionen Ungleichgewichte und neue Abhängigkeiten gefördert. Menschliche und auch die tierische Arbeit werden durch energieintensive Maschinen ersetzt, die immer grösser und schwerer werden. Ökologie und Biodiversität werden so zu einer Angelegenheit von Ingenieuren und Ingenieurinnen oder der Verwaltung, während die Ökosysteme und die Biodiversität unseres Landes historisch von unseren Bäuerinnen und Bauern geformt und kultiviert wurden. Eine nachhaltige und vielfältige bäuerliche Landwirtschaft sollte in der Lage sein, mindestens das Doppelte der derzeit Erwerbstätigen, d.h. mindestens 300.000 Menschen, gerecht zu entlohnen. Diese Entwicklung, diese Reform des „Strukturwandels“, muss die gegenwärtige Strukturzerstörung ersetzen. In diesem Sinne ist es wichtig, für neue Landwirtschaftsmodelle einzutreten, ohne sie gegen die bestehenden Modelle der bäuerlichen Landwirtschaft auszuspielen.
Die Reformen der Raumplanung und der künftigen Agrarpolitiken müssen im Übrigen die Notwendigkeit von Innovationen in struktureller Hinsicht für eine bäuerliche Agrarreform berücksichtigen. Die notwendige Innovation zur Wiederbelebung der bäuerlichen Landwirtschaft wird neue Gebäude, Wirtschaft und Wohnraum benötigen. In städtischen Gebieten werden Zonengrenzen überschritten, verändert und übertreten werden müssen, um die bäuerliche Produktion, die handwerkliche Verarbeitung und lokale Vertriebswege näher an die städtischen Gebiete heranzuführen. Durch die Weiterentwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft könnte der fruchtlose und gefährliche Gegensatz zwischen Landwirtschaft und Ökologie überwunden werden. Das Land denen, die es bebauen!