UNDROP

Im Zuge der Industrialisierung der Landwirtschaft werden die Rechte der Bäuerinnen und Bauern weltweit schwer und weitgehend verletzt. Deshalb hat sich La Via Campesina (LVC), der auch Uniterre angehört, bei den Vereinten Nationen für die Anerkennung dieser Rechte eingesetzt. Nach 20-jährigen Verhandlungen hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 17. Dezember 2018 in New York mit Unterstützung der Schweiz die Erklärung über die Rechte von Bauern und Bäuerinnen und anderen in ländlichen Gebieten arbeitenden Personen (UNDROP) verabschiedet.

Die Umsetzung dieser Erklärung hat für LVC hohe Priorität. Denn in den 28 Artikeln der Deklaration findet sich die Grundlage für langjährige Forderungen. Dazu gehören das Recht auf Land, Wasser und Saatgut, die informierte Beteiligung der Produzent*innen an Entscheidungen über das Agrar- und Lebensmittelsystem ohne Machtverzerrung sowie Ernährungssouveränität, das Recht auf Marktzugang für die Versorgung der lokalen Bevölkerung und faire Preise. Uniterre hat den Diskussionsprozess von Anfang an verfolgt und zahlreiche internationale Delegationen nach Genf begleitet. In der Schweiz setzen wir uns in einer Koalition von NGOs, den «Friends of the Declaration», für ihre Umsetzung in unserer Innen- und Aussenpolitik ein.

PDF der Erklärung auf Englisch / PDF UNDROP-Comix / Links zu den illustrierten Heften über UNDROP:

https://digitallibrary.un.org/record/1650694?ln=fr
https://www.cetim.ch/factsheets-on-peasants-rights/
https://viacampesina.org/en/undrop-illustrations/

Faire Preise

L

Die Landwirtinnen und Landwirte unseres Landes stehen wenigen, aber äusserst mächtigen Verarbeitern, Zwischenhändlern und Detailhändlern gegenüber. Der nationale Lebensmittelmarkt wird nämlich zu fast 80% von den Grossverteilern Migros und Coop kontrolliert. Diese haben daher bei Preisverhandlungen ein absolutes Übergewicht. Jüngste Untersuchungen (Le Temps, Heidi.News, FRC) zeigen, wie hoch die Margen auf dem Buckel der Produzentinnen und Produzenten sind.

Die verschiedenen Krisen der letzten Jahre haben die Verletzlichkeit unserer Landwirtschafts- und Lebensmittelsysteme im globalen Massstab aufgezeigt und die Abhängigkeit unseres Landes von Importen verdeutlicht. Sie haben auch zu einem Anstieg der Preise für Produktionsmittel (Düngemittel, Energie, Saatgut) geführt, was wiederum die Verbraucherpreise in die Höhe getrieben hat. Die Bauern hingegen, die die Risiken und Investitionen alleine tragen müssen, konnten diese Preissteigerungen nur ungenügend über höhere Produzent*innenpreise kompensieren. Zum Teil stagnierten die Preise oder gingen gar noch zurück.
Die Lebensmittelindustrie und die großen Einzelhandelsunternehmen sind in diesem Wettbewerb zweifache Gewinner: Sie können Druck auf die einheimischen Preise ausüben und haben gleichzeitig die Wahl, dort einzukaufen, wo es ihnen gefällt, und zwar zum niedrigsten Preis.
Die Preise, zu denen die Supermärkte landwirtschaftliche Produkte einkaufen, decken oftmals nicht die Produktionskosten der Produzentinnen und Produzenten. Diese unzureichenden Erzeugerpreise setzen die Bäuerinnen und Bauern unter starken wirtschaftlichen Druck. Wir fordern daher Preise, die mindestens die Produktionskosten decken und ausreichende und würdige Löhne ermöglichen.

Die Folgen: Die wichtige Arbeit der Nahrungsmittelproduktion wird nicht wertgeschätzt und die Landwirt*innen werden mit einem System in die Enge getrieben, das keine wirkliche Alternative darstellt. Die Agrarpolitik ist ein Irrweg, da sie die Produzent*innen im Wettbewerb gegeneinander ausspielt. Die Rahmenbedingungen müssen überprüft und geändert werden, damit die Bäuerinnen und Bauern von ihrer Produktion in Würde leben können.

https://enquetes.frc.ch/marges-legumes
https://enquetes.frc.ch/marges

Faire Löhne

W ir kämpfen für höhere Erzeugerpreise, um ein würdiges Einkommen für alle zu gewährleisten. Mit diesen Preisen sollen die Kosten für die Produzentinnen und Produzenten sowie faire Löhne für die Landarbeiterinnen und Landarbeiter gedeckt werden. Die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft sind oft schlecht und die Löhne zu niedrig. Wochen mit 50 bis 57 Stunden für einen Lohn von rund 3’000 Franken netto pro Monat sind keine Seltenheit. Da das Arbeitsgesetz die Landwirtschaft immer noch ausklammert, führen die unterschiedlichen kantonalen Normalarbeitsverträge (NAV) zu ungleich langen Spiessen zwischen Arbeitnehmer*innen und Betriebsinhaber*innen in den verschiedenen Regionen. Uniterre setzt sich daher für eine Harmonisierung der Arbeitsbedingungen auf nationaler Ebene ein.

Wir stellen fest, dass der Markt allein nichts regelt! Stabile gesetzliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen bleiben die Voraussetzung für eine resiliente Agrar- und Ernährungspolitik. Bäuerinnen und Bauern müssen sich von «Restgeldempfängern» zu vollwertigen Akteuren entwickeln. Ohne demokratisch organisierte Gruppen von bäuerlichen Produzent*innen, die ihre Interessen mit Nachdruck einfordern, wird dies nicht gelingen. Der agrarökologische Wandel ist nur mit höheren und stabilen Einkommen für alle möglich. Dafür brauchen wir öffentliche Unterstützungssysteme, die das Recht auf gesunde und qualitativ hochwertige Lebensmittel für alle garantieren. Wir brauchen nicht mehr Hektare pro Betrieb, sondern mehr Beschäftigte, mehr Köpfe und Herzen in der Landwirtschaft.

Frauen

Unsere Themen sind so vielfältig wie die Frauen*, die wir sind. Wir setzen uns für Bauernhöfe ein, die für Frauen ein angenehmer Lebens- und Arbeitsort sind und auf denen sie ihr Leben selbstbestimmt gestalten können. Denn wie in vielen anderen Bereichen auch, sind Frauen immer noch viel zu selten in Führungspositionen (gerade mal 7% Betriebsleiterinnen) und werden oft auf die Arbeit «zu Hause und am Herd» reduziert. Eine Rollenverteilung, die sich selbst in der landwirtschaftlichen Ausbildung fortsetzt und keineswegs ausreichend hinterfragt wird. Das wirkt sich nicht nur auf das Einkommen, sondern auch auf die soziale Absicherung aus. Deshalb fordern wir faire Rahmenbedingungen für Frauen in der Landwirtschaft, eine Politik, die sich an der Gleichstellung aller Geschlechter und Geschlechtsidentitäten orientiert und eine gerechte Verteilung der Haus- und Betreuungsarbeit.

Wir freuen uns auf alle Menschen, die mitdenken, mitdiskutieren und mithandeln wollen. Parallel dazu fördert Uniterre den Aufbau eines Netzwerks zu geschlechtlicher und sexueller Vielfalt.

*und alle Personen, die sich als Frauen identifizieren.

Embracing Rural Diversity: Genders and Sexualities in peasant movements
The Path of Peasant and Popular Feminism in La Via Campesina

 

Junge Menschen und
Zugang zu Land

« Wachse oder weiche!» Unter diesem Schlachtruf der Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte verschwinden in der Schweiz täglich 2 – 3 Bauernbetriebe. Das sind 700 – 1000 pro Jahr. Wenn die Betriebsübernahme nicht innerhalb der Familie erfolgen kann, wird der Zugang zu Bauernland für Junge, aber auch für Kollektive, immer schwieriger bis unmöglich.
Wir setzen uns dafür ein, dass dieser Zugang zum Boden für jeden Neustart erleichtert, gefördert und begleitet wird, handle es sich nun um Einzelpersonen oder Kollektive. Wir setzen uns ein für Erhalt und Weitergabe von bäuerlichem und handwerklichem Fachwissen, für einen freien Zugang zu Saatgut. Für mehr Hände, Köpfe und Herzen in Anbau und Verarbeitung.
Die Arbeitsgruppe Junge von Uniterre hat zu dieser Problematik eine Broschüre erarbeitet. Unter dem Titel « La terre à celleux qui la cultivent »zeigt sie Mittel und Wege, aber auch Hindernisse für den kollektiven Zugang zu Boden, für die Schaffung von gemeinschaftlichen, solidarischen und wirtschaftlich erfolgreichen Arbeits- und Lebensformen auf.
Wir nehmen teil an der jährlichen Zusammenkunft der „Allmend“, die sich an die europäische Bewegung Reclaim the Fields anlehnt. Wir arbeiten auch an Lösungsmöglichkeiten, um den Zugang zu Boden für Kollektive zu ermöglichen und zu erleichtern, analog zu La foncière Antidote in Frankreich oder Terre-en-vue in Belgien.

Bäuerliches Saatgut

 

L andwirtschaftliches Saatgut ist der Ausgangspunkt unserer Ernährung. Es ist Allgemeingut der Menschheit und sollte daher frei zugänglich sein. Heute ist das jedoch nicht der Fall, da Saatgut durch Patente geschützt ist, die seine Vervielfältigung, Verwendung und Verkauf verbieten. Damit eine Sorte in Umlauf gebracht werden kann, muss sie in einem offiziellen Katalog eingetragen sein. So wurden lokale und regionale Sorten über Nacht illegal. Die meisten zugelassenen modernen Sorten sind Hybride, die sich in der ersten Generation durch einen sehr hohen Ertrag und eine grosse Homogenität auszeichnen: Das Saatgut ist also standardisiert. In diesem System können die Bäuerinnen und Bauern dieses patentierte Saatgut nicht für die Aussaat im nächsten Jahr verwenden und sind daher gezwungen, es jedes Jahr neu zu kaufen.

Heute wird der weltweite Saatgutmarkt von drei Giganten beherrscht: Syngenta, Corteva und Bayer (das 2018 Monsanto übernommen hat). Gemeinsam kontrollieren sie mehr als 50% des Weltmarkts. Diese multinationalen Konzerne legen also nicht nur den Preis für Saatgut fest, sondern weitgehend auch das Angebot an Sorten, die ausgesät und konsumiert werden. Sie verfügen über eine enorme und stetig wachsende Wirtschaftsmacht und beeinflussen die gesamten politischen und rechtlichen Prozesse, insbesondere im Bereich der Regulierung und des geistigen Eigentums. Darüber hinaus sind diese drei Giganten auch die grössten Pestizidverkäufer der Welt und haben daher ein Interesse daran, dass der Anbau ihres Saatguts einen massiven Einsatz von Pestiziden erfordert. Das Ergebnis ist ein extrem reduziertes Sortenspektrum an Saatgut, das auf eine industrialisierte, chemie-intensive Landwirtschaft zugeschnitten ist.

Mit Hilfe von Hybriden und geistigen Eigentumsrechten hat die Industrie alles daran gesetzt, die Bäuerinnen und Bauern dazu zu bringen, keine neuen Sorten mehr zu züchten. Dabei waren es die Landwirt*innen, die die landwirtschaftliche Biodiversität durch ihre Praktiken über Jahrtausende hinweg entwickelt haben. Das Monopol der multinationalen Agrochemiekonzerne verhindert eine wesentliche Funktion der Bäuerinnen und Bauern: die Auswahl und der Austausch von Saatgut, das an die lokalen Umweltbedingungen angepasst ist. Die Privatisierung des Saatguts führt somit zu einem Verlust der genetischen Vielfalt. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wurde im 20. Jahrhundert die biologische Vielfalt in der Landwirtschaft um 75% reduziert und Hunderte von alten und lokalen Sorten gingen für immer verloren. Die landwirtschaftliche Biodiversität, die die Grundlage für unsere Ernährungssicherheit bildet, ist ernsthaft gefährdet. Die Bäuerinnen und Bauern müssen unbedingt die einzigen Inhaber*innen des Rechts auf Saatgut bleiben!

Umwelt und Klimagerechtigkeit

Landwirt*innen sind sehr oft die ersten, die vom Verlust der Artenvielfalt, der globalen Erwärmung und dem Klimawandel betroffen sind. Dies führt nicht nur zu häufigeren Extremwetterereignissen, sondern auch zu neuen wirtschaftlich schwierigen Situationen. Die Szenarien sind eindeutig: trockenere Sommer, weniger häufige, dafür aber heftigere Niederschläge, mehr Hitzetage und schneeärmere Winter. Übrigens machen die Treibhausgasemissionen aus der landwirtschaftlichen Produktion in der Schweiz etwa 14% der Gesamtemissionen aus. Seien wir jedoch klar: Das Problem sind nicht die Bäuerinnen und Bauern, sondern unsere agrarindustriellen Nahrungsmittelsysteme.

Ein grundlegender Wandel hin zu agrarökologischen Methoden ist daher dringend nötig. Eine vielfältige, kleinbäuerliche Landwirtschaft trägt unter anderem zur Regeneration der Böden und zum Aufbau von Humus bei und bildet damit wichtige CO₂-Speicher. Um diesen Wandel einzuleiten, brauchen wir wirtschaftliche Anreizsysteme, eine Stärkung von Forschung, Ausbildung und Beratung und eine klare Absage an die industrielle Landwirtschaft. Es ist unerlässlich, dass schnell wirksame Massnahmen ergriffen werden. Sowohl für die Ernährungssicherheit unseres Landes als auch, um den zukünftigen Generationen einen angemessenen Lebensstil zu garantieren. Dazu gehört auch, die Produzent*innenpreise zu erhöhen und die Direktzahlungen gezielt auf die Resilienz der Landwirtschaft auszurichten.