Herzlich willkommen, Karel!

Karel Ziehli stösst nach dem Abgang von Katharina Schatton zum Uniterre-Team.
Um ihn besser kennenzulernen, haben wir ihm einige Fragen gestellt.

Karel, kannst du dich kurz vorstellen?
Ich komme aus einem kleinen Dorf der Region Nord vaudois, in der Nähe von Yverdon – ein Ort, umgeben von Feldern und Wäldern. Seit 9 Jahren wohne ich aber in Bern, in einem Stadtteil, der ans umliegende Land und die ersten Landwirtschaftsfelder grenzt. Nach Bern bin ich gekommen, um mein in Lausanne begonnenes Studium in Politikwissenschaften fortzusetzen. Meine Masterarbeit habe ich an der Uni Bern zu den historischen Gründen der starken Präsenz von Vertreter*innen aus der Landwirtschaft im Bundesparlament geschrieben. Zusammenfassend bin ich zum Schluss gekommen, dass die Politik seit der Entstehung der Nationalstaaten im 19. Jahrhundert sich für ihre Zwecke einer idealisierten Darstellung des Bauerntums bedient hat. Für landwirtschaftliche Fragen interessiere ich mich aber schon länger. Eine wichtige Rolle hat dabei die Initiative von Uniterre «Für Ernährungssouveränität» gespielt. Ich habe das Glück, seit 2017 für die Online-Plattform «Année politique Suisse» über Agrarpolitik schreiben zu dürfen. Was unter der Bundeshauskuppel passiert, verfolge ich also sehr genau. Parallel dazu habe ich auch für Lisa Mazzone gearbeitet, als sie im Bundesparlament war – eine unglaubliche Erfahrung! Unterdessen habe ich auch noch einen gemacht – er ermöglichte es mir, eine Facette in mir zu entdecken, der ich schon lange mehr Raum geben wollte. Ansonsten bin ich Mitglied bei der Solawi Radiesli, wo ich mehrmals im Jahr mithelfe. Auch habe ich einen kleinen Schrebergarten, wo ich verschiedene Anbaumethoden teste (leider nicht immer sehr aufschlussreich, wie ich zugeben muss).

Warum hast du dich bei Uniterre beworben?
Der Hauptgrund ist, dass ich endlich ein handelnder Akteur sein will, wenn es um unsere Agrarpolitik geht bzw. darum, andere Formen der Landwirtschaft zu unterstützen.
Während 7 Jahren habe ich als Politologe die Agrarpolitik verfolgt und analysiert. Obwohl diese beobachtende Rolle sehr packend ist, hat sie auch frustrierende Seiten. Es ändert sich fast nichts. Und das obschon die Lebensbedingungen der Bäuer*innen sich verbessern und strukturelle Veränderungen unbedingt in die Wege geleitet werden müssten, um erfolgreich gegen den Klimawandel und den Verlust der Biodiversität ankämpfen zu können. Ich teile die Werte von Uniterre, deren politische Anstrengungen ich seit Jahren verfolge. Als ich die freie Stelle sah, habe ich deshalb nicht lange gezögert. Ich möchte Druck auf die Politik ausüben, die Anliegen der Uniterre-Mitglieder verbreiten und für sie da sein, damit sich ihre Lebensbedingungen verbessern – so sehe ich mein Engagement für die Landwirtschaft der Zukunft.

Welches sind die Projekte oder Kämpfe, die dir am meisten am Herzen liegen?
Ich möchte mich für alle Bäuer*innen einsetzen. Um aber die Frage zu beantworten: Die kleinen Bäuer*innen liegen mir ganz besonders am Herzen. Ich möchte ein schweizweites Netzwerk von Kleinbäuer*innen, das nahe an den Konsumierenden ist und sie einbezieht, aufrechterhalten und stärken. Solche Kleinbetriebe sind meines Erachtens viel eher in der Lage, ein vielfältiges, ökologisches und dichtes Netz an Strukturen aufzubauen, das für den Erhalt der Ökosysteme von entscheidender Bedeutung ist. Ich bin überzeugt: Wenn es uns gelingt, dieses Netz – sowohl das ökologische als auch das bäuerliche – zu stärken, können wir nicht nur die Herausforderungen der Zukunft, sondern auch jene der Gegenwart besser bewältigen.

Wie schätzt du die Situation der Bäuer*innen ein?
Die Frage ist sehr breit gefächert. Die bäuerliche Landwirtschaft steckt heute in der Klemme zwischen mehreren Faktoren, welche die Situation komplex machen. Einerseits gibt es diesen Imperativ, viel und günstig zu produzieren, um der ausländischen Konkurrenz entgegenzuhalten – dabei üben die Grossverteiler Druck aus und drücken die Preise. Andererseits gibt es die Notwendigkeit, im Einklang mit unserer Umwelt und unseren Ressourcen zu produzieren, um so den Boden für nachfolgende Generationen zu erhalten. Wir müssen unbedingt (Absatz-)Wege finden, die gute Produktionspreise garantieren und die Konsumierenden noch mehr einbeziehen. Direktverkauf, Preistransparenz entlang der ganzen Handelskette, Preise, welche die Produktionskosten decken und die Revalorisierung von umweltfreundlichen Anbautechniken – das sind einige Aspekte, die jetzt von der Politik implementiert werden müssen, um die Situation der bäuerlichen Landwirtschaft zu verbessern.

Wenn du einen Zauberstab hättest, was wäre dein erster Wunsch, den du aussprechen würdest?
Das ist eine gute Frage. Die Liste ist lang! Vielleicht das Patriarchat beenden? Für mich handelt es sich um ein Unterdrückungs- und Herrschaftssystem, das nicht nur alle Bereiche unserer Gesellschaft durchdringt, sondern auch unsere Beziehung zur Natur. Die Grüne Revolution in der Landwirtschaft ist eine Form der Unterdrückung und Bevormundung der Natur, die patriarchalen Logiken entspringt und deren Folgen noch heute spürbar sind. Sofern kein anderes, dem Patriarchat ähnliches Herrschaftssystem an seine Stelle tritt, würde ich mir zuallererst ein Ende des Patriarchats wünschen, was Auswirkungen auf alle Bereiche unseres Lebens hätte. Und wenn die Agrarökologie im Kontext des ersten Wunsches nicht zur dominierenden Praxis in der Landwirtschaft werden würde, dann wäre das mein zweiter.