Die EFZ-Lehre als Landwirtin habe ich im Sack, jetzt kann ich auf meinen absolvierten Weg zurückblicken. Eine landwirtschaftliche Ausbildung, was für eine Chance! Vor allem in der Schweiz, in der eine gute Ausbildung soviel wert ist. Ich erinnere mich zurück: Ich war ganz erstaunt, als ich erfuhr, dass man nicht «Sohn oder Tochter von …» sein muss, um an einer landwirtschaftlichen Ausbildung teilnehmen zu können – dass man den Beruf der Bäuerin auch lernen konnte, ohne aus diesem Milieu zu entstammen. Eine Ausbildung, offen für alle, sogar für Frauen. Ein unglaublicher Mehrwert, um die Schweizer Landwirtschaft und das dahinter liegende System als Ganzes zu verstehen – und so Brücken zwischen den verschiedenen Akteur*innen zu bauen. Aber vor allem, auf ganz persönlicher Ebene, die Gelegenheit zu haben, Nahrung anzubauen und zu produzieren: das Herz von allem Lebendigen!
Nach drei Lehrjahren bin ich aber doch etwas erstaunt über die noch existierende kulturelle Kluft zwischen denen, die das Land bewirtschaften, und den «anderen». Die Realität ist eine andere. Die Prioritäten liegen ganz woanders, als würde die Erde nicht für alle gleich schnell drehen. Eine landwirtschaftliche Ausbildung zu machen, gab mir die Möglichkeit, einen Fuss in beide Welten zu setzen. Und besser zu verstehen, zu netzwerken und schlussendlich die Gräben aufzuschütten: Ein Prozess, der Zeit benötigt.
Nach dem Absolvieren einer solchen Ausbildung fühlt man sich wie verwandelt. Alle meine Bezugs- und Orientierungspunkte wurden erschüttert.
Das ist übrigens oft das Ziel einer Ausbildung: Ausbilden und auf eine bestimmte Weise formen, gewissermassen «formatieren», basierend auf einem genau festgelegten Schema.
Ich war erstaunt, dass im Jahr 2024, in Zeiten des Klimawandels, eines hohen Marktdrucks und der Herausforderungen und Drucks in unserem Berufsbereich, der Lehrplan immer noch hauptsächlich auf die Milchproduktion ausgerichtet ist. Dagegen ist der Anteil von Kursen über eine diversifizierte und widerstandsfähige Landwirtschaft geradezu winzig. Die Schweizer Landwirtschaft muss sich neu erfinden – und das kann nur über die Ausbildung geschehen, denn sie ist das Spiegelbild der Berufsgruppe. Im Schuljahr 2023/24 lag der Anteil der Schüler*innen, die im Kanton Waadt Kurse zur biologischen Landwirtschaft besuchten, bei 10 Prozent. Im Ernst jetzt?
Seit einigen Jahren spürt man in meiner Generation (um die Jahrtausendwende geboren; 1985-2000) die Begeisterung, wieder «zurück aufs Land» zu gehen. Neo-Bäuerinnen und -Bauern suchen, wie viele andere in diesem Beruf auch, nach einem Sinn in dem, was sie tun. Es besteht eine echte Diskrepanz zwischen dem schulischen Rahmen einer Erstausbildung wie dem EFZ, die sich an Schulabgänger*innen richtet, und dem tatsächlichen, aktuellen Bedarf für eine diversifizierte Landwirtschaft. Heute ist es aber noch immer der kompletteste Weg, sich Wissen, Kompetenzen und auch Rechte anzueignen, um eines Tages als Bäuerin oder Bauer anerkannt zu werden und davon leben zu können. Bildung jeglicher Art erweist sich derzeit als die Lösung, um zu verstehen, was Landwirtschaft in ihrer Gesamtheit überhaupt bedeutet.
Wie dem auch sei: Landwirtschaft ist ohnehin nicht nur ein Beruf, sondern ein Entscheid fürs Leben.
Emilie de Perrot, Landwirtin und Mitglied des Vorstands von Uniterre