Die Sendung „A Bon Entendeur“ vom 13. Mai 2025 zeichnet ein Bild der fenaco, einer landwirtschaftlichen Genossenschaft (auch Landi), die ursprünglich in der Hand der Bauern und Bäuerinnen war. Fazit: Die fenaco baut ihre Monopolstellung in der gesamten Produktions- und Verkaufskette aus. Wir zeigen ergänzend, wie fenaco auch die digitale Verwaltungssoftware Barto beherrscht.
Was ist Barto?
Barto ist eine digitale Management-Software für landwirtschaftliche Betriebe. Sie bietet digitale Werkzeuge zur Planung, Dokumentation und Analyse von Arbeitsabläufen sowohl im Bereich der Tierhaltung als auch im Pflanzenbau. Barto gibt an, „den Papierkram zu reduzieren und die Kontrollen zu vereinfachen“1.
Die Barto-Maschinerie:
Diese von Barto angebotenen Anwendungen sind direkt mit fenaco verflochten:
- MyDocs, Briefkasten von fenaco.
- AGROLINE Service (seit 2020).
- LANDOR Services
- CROP Services (AGROLINE und LANDOR)
- RUMIPLAN (Futterplan) (UFA und MELIOR) (früheres Tool von Agridea erstellt und von fenaco übernommen).
- Fertiplan (LANDOR + Agridea).
- UFA Gallo Support
Rückblick auf die Entstehung von BARTO:
Barto wurde am 1. November 2015 von Agridea und Identitas SA als einfache Gesellschaft (EG) gegründet. Die Identitas AG entwickelt und betreibt im Auftrag des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) spezifische Informatiklösungen für die Landwirtschaft, wie die Tierverkehrsdatenbank (TVD). Die Identitas AG gehört zu 51% dem Bund. Agridea ist das landwirtschaftliche Beratungsorgan der Schweiz und wird zum grössten Teil vom Bund finanziert. Barto war also bei seinem Start ein Projekt des Bundes. Das Aktienkapital in Höhe von 100‘000 Franken wurde zu 87,5 % von der Identitas AG und zu 12,5 % von Agridea gehalten.
Der Eintritt von fenaco in die Geschäfte von Barto
November 2017: Barto wird eine Aktiengesellschaft AG. Um die Entwicklungsphase von Barto zu finanzieren, wird das Aktionariat erweitert. Ab Dezember 2018 werden die Barto Aktien von den folgenden Organisationen gehalten: Identitas AG (34,5 %), fenaco Genossenschaft (34,5 %), Swissgenetics (10 %), Agridea (6,3 %), swissherdbook (5 %), Braunvieh Schweiz (5 %), Schweizer Milchproduzenten SMP (2,5 %), Holstein Switzerland (2 %) und Mutterkuh Schweiz (0,2 %), wobei das Aktienkapital bei 100 000 Franken verbleibt.
Einige Monate später, im Juni 2019, reichte der FDP-Nationalrat Marcel Dobler eine Interpellation2 ein, in der er die Wendung, die Barto nimmt, hinterfragt „Projekt Barto“. Finanziert der Bund den Wettbewerb mit ungleichen Mitteln?
November 2021: Die Genossenschaft LAVEBA steigt bei Barto ein, indem sie 10 Prozent des Aktienkapitals übernimmt. LAVEBA ist einer der beiden Hauptaktionäre der LANDI-Läden, und der Hauptaktionär der LANDI ist … die Genossenschaft fenaco.
Oktober 2023: Agridea kündigte die Einstellung ihres Tools AGROTECH zur Erhebung von Parzellen an. In diesem Schreiben empfiehlt Agridea den Nutzer*innen dieser Software, auf Barto zu wechseln. Ungefähr zur gleichen Zeit wurde bekannt gegeben, dass der ehemalige Direktor von Agridea, Ulrich Ryser, am 1. Juli 20243 die Leitung von Barto übernehmen würde.
Nach drei Jahren finanzieller Verluste gerät das Barto-Projekt ins Stocken. In einem Artikel der Zeitung AGRI vom 19. April 20244 werden die „besorgniserregenden Finanzen bei Barto “ erwähnt: 1,8 Millionen Verluste im Jahr 2022; 2,8 Millionen Verluste im Jahr 2023. Die Situation führt dazu, dass die Karten neu gemischt werden. Ergebnis: Im Dezember 2024 erhöhen fenaco und LAVEBA ihr Aktienkapital bei Barto: fenaco wird künftig 68% und LAVEBA 15% des Kapitals halten. „Mit dem Erwerb der Aktienmehrheit wird die Barto AG eine eigenständige Einheit der fenaco Genossenschaft und wird als neue strategische Geschäftseinheit in das Unternehmen integriert“5. Die fenaco übernimmt somit die Kontrolle über Barto.
365FarmNet, die Computersoftware hinter Barto.
Da es nicht möglich war, ein Tool von Grund auf neu zu entwickeln, wurde ein Produkt, das ursprünglich dem Landmaschinenhändler CLASS gehörte, von fenaco angeboten: 365FarmNet. Nebenbei bemerkt: fenaco ist der exklusive Vertriebspartner von CLAAS für den Schweizer Markt.
November 2023: CLASS kündigt an, dass das Tool 365Farmnet eingestellt und durch ein anderes Tool ersetzt wird: CLASS CONNECT. Damit das ganze Barto -Projekt nicht zusammenbricht, hat die fenaco ausgehandelt, dass sie 365FarmNet für die Schweiz übernehmen kann. Ab Mitte 2025 wird das Tool unter der Kontrolle von fenaco stehen und nur noch in der Schweiz nutzbar sein.6
Analyse der Schlüsselelemente:
Die Datenbeschaffung.
Um mit den mit fenaco verbundenen Modulen zu arbeiten, muss man sich einen Zugang schaffen und damit Zugriff zu der Daten gewähren. Ausser wenn die Landwirtin oder der Landwirt sich mit keinem Modul verlinkt, dann gibt es auch keine Datenerhebung. Aber wenn die eingebauten Links zu Landi, Landor, UFA, MELIOR usw. angenommen werden, dann hat fenaco Zugang zu allen Daten.
Schauen wir uns das von fenaco erstellte Barto-Datenschutzdokument7 im Detail an, bezweifeln wir, dass der Datenschutz gewährleistet ist. Dort heisst es: „An wen werden die Daten weitergegeben und zu welchem Zweck?
Innerhalb der fenaco-LANDI Gruppe:
– Informatikabteilung: Die Informatikabteilung der gfL umfasst sowohl die Firma Bison als auch die Firma fenaco Informatique.
Als IT-Dienstleister sind die beiden Unternehmen als Subunternehmer für den Betrieb der IT-Systeme und der Infrastruktur innerhalb der fenaco-LANDI Gruppe verantwortlich. Aufgrund dieser Verantwortung benötigen die Mitarbeiter beider Firmen Zugang zu den Systemen, haben also auch Zugriff auf Daten, selbst wenn sie diese nicht verarbeiten. Dies betrifft sowohl die Identifikation (Kundennummer / Kontaktdaten, Agate-Nummer, Firmennummer, E-Mail) als auch die verwendeten Module mit den von Landwirt*innen eingegebenen Daten…“. Fenaco gibt zwar an, dass keine Daten von fenaco ohne Zustimmung der Nutzer*innen eingesehen werden können, aber im Barto-Datenschutzdokument ist klar festgehalten, dass die fenaco Informatique auf die Daten zugreifen kann (ohne sie zu bearbeiten).
Aggressive Kommunikation von fenaco.
Nun, da Barto in der Hand der fenaco ist, tut diese alles, um die Landwirt*innen davon zu überzeugen, zu Barto zu wechseln, insbesondere durch eine ziemlich aggressive Kommunikation gegen ihre Konkurrenten. Denn auf dem Markt für Computertools zur Datenerfassung gibt es Schweizer Konkurrenten: Smartfarm (IP-Suisse), Geofolia (Isagri), eFeldkalender- Agroplus.
So wurde im Februar 2024 ein Brief mit dem LANDI-Logo an alle Landwirtinnen und Landwirte8 verschickt. „Barto – die Schweizer Lösung für Ihren Betrieb“ Darin wird ein Konkurrenzprodukt frontal angegriffen, es werden die Vorteile von Barto angepriesen und die Landwirt*innen zu einem Umstieg auf Barto motiviert. Ein Jahr später wird abermals eine E-Mail an alle Landwirte und Landwirtinnen mit dem Titel „Barto wird 100 % schweizerisch – Entdecken Sie die Neuerungen ab Juli 2025“ verschickt. In dieser Mail werden die „zahlreichen Neuerungen“ der neuen Plattform angepriesen: Benutzerfreundlichkeit, vereinfachtes Login, klare Visualisierungen, neue Preisstruktur.
Die Inbesitznahme der Daten.
Warum sollte die fenaco in ein solches Werkzeug investieren, das noch dazu defizitär ist? Verbirgt sich hinter diesem Manöver nicht der Wunsch, Zugang zu allen digitalen Daten der Betriebe zu erhalten, was dann eine gezieltere Ansprache der bäuerlichen Kund*innen bei der Beratung und dem Verkauf von fenaco-Produkten ermöglichen würde? Abgesehen von diesem Aspekt ist die Machtkonzentration bei der fenaco sehr problematisch und zwingt die Schweizer Landwirt*innen8, sich vollständig von diesem Unternehmen abhängig zu machen, wie der ABE-Bericht vom 13. Mai 20259 sehr deutlich zeigt. Es ist beunruhigend zu sehen, dass Agridea diese Plattform bedingungslos unterstützt, obwohl Agridea u.a. von allen Kantonen, also aus staatlicher Hand, finanziert wird. Warum spielt Agridea der fenaco in die Hände? Und wie kommt es, dass ein Projekt, das ursprünglich mit öffentlichen Geldern finanziert und entwickelt wurde, am Ende in private Hände fällt?
Personelle Verflechtungen werfen Fragen auf:
- Pierre Moretti ist der Vollzeitmitarbeiter von Barto10 für die französische Schweiz. Er ist langjähriger Mitarbeiter von AGROTECH und Agridea. Er ist nebenbei bemerkt immer noch Angestellter von Agridea11.
- Ulrich Ryser war von 2010 bis August 2023 Direktor von Agridea und hat Barto seit dem Start stets eng begleitet. Seit dem 1. Juli 2024 ist er nun Direktor von Barto12.
- Jürg Guggisberg war Mitarbeiter von 2012 bis 2017 von Identitas, wo er als Marketingdirektor, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter des Bereichs TVD (Tierverkehrsdatenbank) tätig war. Er war vor Ulrich Ryser Direktor von Barto und ist derzeit stellvertretender Direktor von Barto13.
Schlussbemerkungen:
Wir sind nicht die einzigen, die sich über den Zugriff von fenaco auf die Schweizer Landwirtschaft Sorgen machen: Léa Stiefel hat eine Forschungsarbeit mit dem Titel „Centraliser ou distribuer les données: deux imaginaires opposés pour la numérisation de l‘agriculture“14 verfasst, in der sie auf das Risiko der „Machtkonzentration in den Händen der Aktionäre“ explizit aufmerksam macht. Auch in der Sendung „A Bon Entendeur“ vom 13. Mai 20259 über fenaco wurde – leider nur sehr kurz- auf die Problematik von Barto hingewiesen.
Viele Fragen bleiben vorerst unbeantwortet. Die anfängliche Verflechtung öffentlicher Gelder in ein mittlerweile privates Instrument (Unternehmen), ist äusserst fragwürdig. Es handelt sich hier um ein Beispiel für die Machtkonzentration in den Händen einer ursprünglich landwirtschaftlichen Basisgenossenschaft, die zu einem unverzichtbaren privaten Akteur in der Schweiz geworden ist und von dem zerstörerischen kapitalistischen Modell eingeholt wurde. Wir von Uniterre sind sehr skeptisch und besorgt. Fenaco sammelt über die vorangetriebene Digitalisierung mit dem Barto-Tool Daten und erlangt dadurch Zugang und Kontrolle über die Schweizer Landwirtschaft. •
Quellen:
1 www.barto.ch/?de
2 www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20193636
3 www.ufarevue.ch/newsticker/neuer-geschaeftsfuehrer-fuer-barto
4 kdrive.infomaniak.com/app/share/1046287/eb6f1de1-80d7-46e6-9ed5-47e4a4f10cf3/preview/pdf/95829
5 www.linkedin.com/posts/barto-ag_die-fenaco-und-die-laveba-genossenschaft-activity-7270776500109336577-D3w3/?originalSubdomain=fr
6 www.agrartechnik.ch/fr/periodique/technique-agricole/dernieres-actualites/article/barto-365farmnet-wird-komplett-schweizerisch/
7 www.barto.ch/docs/fenaco-LANDI-Gruppe/Declaration-de-protection-des-donnees_MyDocs.pdf
8 kdrive.infomaniak.com/app/share/1046287/cf22d5fe-caeb-4db0-90d2-d437daa0b604
9 www.rts.ch/emissions/abe/2025/video/fenaco-la-cooperative-qui-nourrit-la-suisse-28882924.html
10 www.barto.ch/fr/portrait/equipe/pierre-moretti-358
11 www.agridea.ch/de/agridea/unser-team/pierre-moretti/
12 www.agrartechnik.ch/zeitschrift/schweizer-landtechnik/newsticker/artikel/barto-neuer-geschaeftsfuehrer-ab-sommer-2024/
13 www.barto.ch/de/ueber-uns/team/juerg-guggisberg-21
14 serval.unil.ch/resource/serval:BIB_B3B85CEDA31F.P001/REF.pdf